Marktwirtschaft

von Hermann Kroll-Schlüter

Menschen leben in vielfachen Beziehungen. Immer und überall. Sie suchen den Austausch, wollen den Austausch. Der Markt ist einer der wirksamsten Plätze für den Austausch. An kaum einem anderen Ort versammeln sich soviel Erfahrung und soviel Wissen, die genutzt werden können.

Der Mensch hat Individual- und Sozialnatur. Das heißt: In seiner Individualnatur ist er einmalig und unwiederholbar. In seiner Sozialnatur ist er auf den Nächsten, auf das Du, auf die Gemeinschaft hin angelegt.

Der extreme Liberalismus ließ den Menschen ohne den Schutz der Solidarität. Der Sozialismus tötet die Individualität des Menschen durch seinen ideologischen Kollektivismus.

Heute gibt es in unserem Staat und in der EU zu viel direkten politischen Einfluss. Und somit gibt es Bevormundung, zu viel Bürokratie, zu viel Dirigismus, zu viel Zentralismus. Die Kehrseite: Es gibt zu wenig Subsidiarität, zu wenig Dezentralität, zu wenig überschaubare Einheiten, zu wenig Eigenverantwortung.

Jede Politik, mag sie auch noch so gut gemeint sei und sich an noch so guten Grundsätzen orientieren, muss scheitern, wenn sie so vieles für sich reserviert und für andere reglementiert.

Überall auf der Welt suchen die Menschen nach einer neuen Ordnung. Sie suchen eine bessere Ordnung. Den einen ist die Freiheit schon fast zur Unordnung geraten, die anderen quält die Armut, wiederum andere haben Angst vor der Zukunft.

Es gibt immer Entwicklungen. Auch Fortschritt. Aber das lineare Denken (immer mehr) muss abgelöst werden durch ein Denken in Zusammenhänge, in ethischen und ökologischen Zusammenhängen.

Die Schöpfung zu bewahren ist Auftrag und Verpflichtung. Die persönliche Verantwortung des Menschen ist eine schöpfungsbedingte Verpflichtung. Wir dürfen die Grundlagen unseres Lebens nicht zerstören. Jede Generation hat ein Recht auf die Chance der nachhaltigen Entwicklung. Und jede Generation muss sie schöpferisch nutzen  - in Freiheit und Verantwortung. Grundlagen dafür sind Rechsstaat und Marktwirtschaft.

Märkte sind eine natürliche Lebensäußerung des Menschen. Der Mensch lebt in Beziehungen, er sucht den Austausch, es bilden sich Märkte. Sie bilden aber keine eigene Persönlichkeit, tragen keine eigene Verantwortung. Märkte sind so gut wie die Regeln, die ihnen gesetzt wurden. Marktversagen ist Regelversagen, ist Politikversagen.

Die gemeinsame Überzeugung der Pioniere der Sozialen Marktwirtschaft war, den Wettbewerb nicht sich selbst zu überlassen, sondern durch einen starken Staat zu gewährleisten. Starker Staat meint hier einen Staat der Ordnungspolitik, nicht einen Staat, der ständig neue Gesetze beschließt um die Lebensgestaltung der Menschen zu bestimmen.

Wettbewerb und Markt brauchen eine Ordnung.„Wettbewerb ist ein unverzichtbarer Handlungsmodus, aber das letzte Wort kann er nicht haben. Das Wettbewerbsmotiv braucht eine Einbettung und Begrenzung. In der Wirtschaft z. B. hat das Wettbewerbsmotiv einen legitimen Ort, braucht aber einen Rahmen, der dieses wettbewerbliche Handeln strukturiert, korrigiert und begrenzt. Wettbewerb als Handlungsprinzip aus christlicher Sicht also ja.“ Prof. Dr. Bernhard Laux, Universität Regensburg

Was für den Staat gilt, das gilt auch für die Marktwirtschaft: Sie lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht zu schaffen vermag. Die Ordnung der Freiheit bedarf der Ordnung der Wirtschaft, denn Freiheit und Würde des Menschen hängen weithin vom Ordnungssystem der Wirtschaft ab. Politische und wirtschaftliche Ordnung gehören zusammen, die Marktwirtschaft ist das Pendant zur Demokratie. Durch ordnungspolitische Regeln und Institutionen wird die Marktwirtschaft zu einer freiheitssichernden Wirtschaftsordnung.

Die Ordoliberalen forderten einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, der sich leiten lässt von drei Prinzipien: im Mittelpunkt steht der Mensch als Individuum: Personalprinzip. Der einzelne Mensch ist stets eingebunden in eine gegenseitige Verbundenheit und Verpflichtung: Solidaritätsprinzip. Für die personelle Ausgestaltung des Solidaritätsprinzips gilt, dass Staat und Gesellschaft dem einzelnen Menschen nicht das entziehen, was er selbst leisten kann: Subsidiaritätsprinzip.

Soweit so gut möchte man sagen. Jetzt muss aber ein Aber kommen. Tatsächlich, aber die meisten Menschen in den Demokratien mögen Wettbewerb nicht. Sicher heit ist ihnen wichtiger als Freiheit.Der Staat soll es richten, Politik soll es regeln - um sich dann über sie zu beschweren und schließlich neue Forderungen an sie zu stellen. Die Erfüllung soll selbtverstänlich unbüroktatisch erfolgen.In der Dikussion über die Ökosoziale Marktwirtschaft wird besonders das Ökosoziale geschäzt - und gegen die Marktwirdschaft in Stellung gebracht - denn , so wird gesagt, der Markt kann auch nicht alles, es gibt auch Marktversagen. Tatsächlich ist es aber so, das blinde Flecken des Marktes nachgebessert werden müssen und „ Marktversagen“ Politikversagen ist. Ein aufmerksamer Staat stellt die Spielregeln auf und  wird nicht ständig zum Mitspieler, wenn es gilt, ein Problem zu lösen. So wird er zu einem starken Staat, der Regeln , z.B. der Nachhaltigkeit und das Haftungsprinziep durchsetzen kann.

Die Regeln bestimmen die Ordnung. Ein starker Staat bestimmt die Regeln, die Spielzüge machen die Akteure  in Wirtschaft und Gesellschaft. Regelbasiertes Handeln bedeutet auch:wer Rechte hat hat auch Pflichten und es gilt das Prinzip der Haftung.

Spätestens jetzt kommt der Einwand, das es Gemeinwohlleistungen keinen Marktpreis gibt. Richtig, aber nur ganz wenige.Es ist ganz wichtig, zu erst für die Lösung eines Problems einen marktwirtschaftlichen Weg zu suchen. Siehe Klima. In dem Augenblick, wo das Klima einen Preis bekommt,ist eine nachhaltige Lösung möglich.

Eucken: „Marktwirtschaft ist notwendig, aber nur mit einem starken Staat, der den Rahmen setzt und bescheiden bleibt. Freie Preisbildung, Haftung und Wettbewerb…“

„Das System einer marktwirtschaftlichen Koordinierung einzelwirtschaftlich Aktivitäten ist jeder bekannten und brauchbaren System -Alternative überlegen, und zwar ökonomisch wie ethisch.“ (Hermann Sautter)

 

Hermann Kroll-Schlüter

 2019